Jana Sosnitzki M.A. (Lennestadt):Dr. Hans Kruse in der Zeit des Nationalsozialismus
In der kommenden Ausgabe der Vortragsreihe „Siegener Forum“ wird Jana Sosnitzki am 20. Oktober 2022 den Werdegang von Dr. Hans Kruse (1882-1941) sowie Aspekte der regionalen Erinnerungskultur und der städtischen Kulturpolitik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Fokus auf der Zeit des Nationalsozialismus nachzeichnen.
Der jahrzehntelange Direktor des Siegerlandmuseums im Oberen Schloss, in Personalunion zugleich Siegens Stadtarchivar und Leiter der Stadtbibliothek sowie Herausgeber des Siegerländer Heimatkalenders und Geschäftsführer des Siegerländer Heimatvereins, galt als ein Förderer von Kunst, Kultur und Geschichtswissenschaft in Siegen. Allerdings war der engagierte Heimathistoriker aber auch an die Umstände seiner Zeit gebunden. Eine Zeit, in der das nationalsozialistische Regime viele Möglichkeiten zur aktiven Kooperation bot. Kruse war kein Mitglied einer NS-Organisation, blieb aber stets in seinen Ämtern. Es stellt sich die Frage: Leistete Kruse nur das Mindestmaß an Kooperation, um in seinem Amt zu bleiben oder arbeitete er aktiv mit den Nationalsozialisten zusammen, um Vorteile für sich, das Museum und das Stadtarchiv zu sichern?
Jana Sosnitzki hat an der Universität Siegen studiert und ist Lehrerin für Geschichte und Chemie. Zu Dr. Hans Kruse im Kontext der regionalen Erinnerungskultur forschte Sie im Rahmen ihrer Masterarbeit.
Der Vortrag findet statt am Donnerstag, den 20. Oktober 2022, um 18.30 Uhr im Spandauer Saal der Siegerlandhalle, Eingang B (Einlass ab 18.00 Uhr). Der Eintritt ist frei!
Nach der Veranstaltung in der Martinikirche am 5. Mai 2022 fand vorgestern, am 13. September, eine weitere Veranstaltung zu den möglichen Umbenennungen Siegener Straßennamen in der Bismarckhalle statt. Eingeladen hatte die Stadt Siegen die Bewohner der Straßen, bei denen eventuell eine Umbenennung ansteht. Die interessierte Öffentlichkeit war ebenfalls zugelassen.
Nach der Begrüßung durch den Bürgermeister referierte zunächst Stadtarchivar Dr. Sturm über Geschichte und Funktion von Straßennamen. Er betonte die „ehrende Erinnerung“, die bei der Bezeichnung einer Straße nach einer Persönlichkeit beabsichtigt ist und damit in das kollektive Gedächtnis übergeht.
Anschließend stellten drei Vertreter des Arbeitskreises „Straßennamen“ (die Herren Hellwig, Heilmann und Dietrich) die Ergebnisse ihrer Arbeit vor und legten die Gründe ihrer Bewertung und Einstufung der überprüften Personen in die Kategorien A, B und C dar.
Abschließend berichtete Herr Blecher (Stadt Siegen: Vermessung- und Geoinformation) knapp über die heutige Praxis der Straßenbenennung.
Daran schloss sich die Diskussion über die Ergebnisse des Arbeitskreises an. Die auch diesmal wieder in der Frage nach den Kosten und in den Statements „haben wir nichts anderes zu tun“, die Vergangenheit mal „ruhen zu lassen“ oder das sei „Heimat“ (wobei das Straßenschild dazu gehört) mündete. Die finanzielle Belastung soll für die Anwohner der Straßen so gering wie möglich gehalten werden, so die einhellige Meinung der städtischen Vertreter. Die Kosten gehen also überwiegend zulasten der Stadt.
Der inhaltliche Gedankenaustausch stand unter der leitenden Fragestellung: Will die Stadt Siegen weiterhin in Form von Straßenschildern Persönlichkeiten öffentlich ehren, denen eine massive NS-Belastung nachzuweisen ist und deren Engagement im Nationalsozialismus sich zum Nachteil anderer Menschen ausgewirkt hat?
herumgereichte Kurzbiografie zu Lothar Irle
Es zeichnete sich schnell ab, dass die Vertreter des Arbeitskreises ihre Ergebnisse als eine rationale Grundlage für die Diskussion ansahen, während die geladenen Gäste / Anwohner offenbarten, dass sie nur über unzureichende Informationen zu den betreffenden Personen verfügten. Nicht nur deshalb kamen von dieser Seite zumeist emotionale Beiträge (bezeichnend: der Lauteste unter diesen Beiträgen erhielt den meisten Beifall!) für die Beibehaltung bzw. Umwidmung (Stoecker / Stöcker) der Straßennamen. Nur eine Anwohnerin der Lothar-Irle-Str. setzte sich intensiver mit der Biografie des Namensgebers auseinander. Sie würdigte aber vor allem dessen Nachkriegsverdienste (Heimatforschung) und setzte sie in Bezug zu einer stark verkürzten Darstellung von dessen NS-Belastung und dessen Entnazifizierung. Sie kam zu dem Ergebnis, wenn beides gegeneinander aufgewogen würde, dass die Straße „auf keinen Fall umbenannt werden“ soll (siehe Abbildung).
Seitens der Anwohner blieb letztlich eine tiefere Auseinandersetzung mit NS-Belastung und Antisemitismus aus. Die daraus resultierende schwierige Kommunikation hing auch damit zusammen, dass die Präsentation des Arbeitskreises der Veranstaltung nicht angemessen war. Hier hätte man beispielhaft für je eine Person aus den drei Kategorien mit Bild, Kurz-Biografie, Zitaten u.a.m. einmal das Prozedere des Arbeitskreises durchexerzieren und nachvollziehbar machen können, warum er so entschieden hat, wie er schließlich entschieden hat. Auf dieser Basis und nur auf dieser hätte die nachfolgende Diskussion stattfinden müssen. Dann hätte das Zitat von Paul Breuer seine Berechtigung: „Die Auseinandersetzung mit der Geschichte führt eigentlich immer zu einem besseren Verständnis der Gegenwart“.
Nach dieser Veranstaltung mag jede(r) für sich die leitende Fragestellung beantworten: Wollen wir, die Bewohner der Stadt Siegen, dass weiterhin in Form von Straßenschildern Persönlichkeiten öffentlich geehrt werden, denen eine massive NS-Belastung nachzuweisen ist und deren Engagement im Nationalsozialismus sich zum Nachteil anderer Menschen ausgewirkt hat? In einer repräsentativen Demokratie wird diese Entscheidung den Bewohnern der Stadt Siegen abgenommen. Letztlich entscheidet der Rat über eine Umbenennung.
Stellungnahme zur Diskussion um Straßenumbenennungen in Siegen – gemeinsame Erklärung von CJZ und AMS
Straßennamen dienen zunächst der räumlichen Orientierung in einer Stadt. Sie prägen sich allein schon deswegen in das Bewusstsein und Alltagsleben ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ein. Vor allem aber sind sie sichtbarer Teil einer regional geteilten Erinnerung. Als solche markieren die gerade diskutierten Fälle der Lothar-Irle-Straße und (Adolf) Stöcker-Straße eine durchaus brisante Anwesenheit der Vergangenheit in der Gegenwart.
Die aktuelle öffentliche Berichterstattung zu den ersten Überlegungen des städtischen Arbeitskreises zur Aufarbeitung der historischen Hintergründe von Straßennamen verweist darauf, dass der Umgang mit Geschichte, konkret den historischen Personen und Ereignissen im öffentlichen Raum, nicht erst seit kurzem von hohem öffentlichen Interesse ist. Die Berichterstattung und Leserbriefe machen aber vor allem deutlich, dass Geschichte bisweilen nur von einigen wenigen gemacht wird. Die so entstehenden Deutungen und Erzählungen verraten mehr über die politische Grundhaltung der gegenwärtigen Akteurinnen und Akteure als über die geschichtlichen Hintergründe. Eine solche Praxis trägt kaum zur sachlichen Klärung bei. Die Fallbeispiele Adolf Stoecker und Lothar Irle sind fraglos diskussionswürdige Ehrungen, allerdings belegen die dazu kontrovers geführten Debatten in der lokalen Presse eindrucksvoll, dass nicht nur breitere Beteiligungsmöglichkeiten, sondern vor allem eine sachliche Fundierung sowie eine gute Moderation dringend von Nöten sind.
Die Gesellschaft für christliche-jüdische Zusammenarbeit e.V. (CJZ) und das Aktive Museum Südwestfalen e.V. (AMS) begrüßen die aktuellen politischen Aktivitäten im Arbeitskreis Aufarbeitung der historischen Hintergründe von Straßennamen in Siegen der Stadt Siegen. Sie bringen damit langjährige Diskussionen zunächst in eine gute Form kommunaler Entwicklung, ohne allerdings für die hinreichende öffentliche Beteiligung zu sorgen. Die mit der erinnerungskulturellen Bedeutung und Praxis von Straßennamen einhergehenden gesellschaftlichen Aktivitäten und Diskussionen gehören fraglos in einen öffentlichen Diskussionsraum, um eine Teilhabe aller relevanten Personen, Institutionen, Akteurinnen und Akteure zu gewährleisten. Ein Arbeitskreis, der darauf verzichtet, schon zu Beginn breite Beteiligung und (wissenschaftliche) Beratung zu organisieren, vergibt womöglich die große Chance, mit der Zivilgesellschaft nachhaltige Lösungen zu entwickeln.
Das Bewusstsein für das Gewordene und die Konstruktion räumlicher Gegenwart aus der Vergangenheit schafft Grundvoraussetzungen für verantwortungsbewusstes Handeln in einer demokratischen Gesellschaft. Wir möchten als Akteurinnen und Akteure in der regionalen Erinnerungslandschaft im Sinne eines zivilgesellschaftlichen Dialogs zum regionalen Geschichtsbewusstsein mit zwei Formaten einen Beitrag leisten:
Am 5. Mai 2022 findet ein von den Vereinen veranstalteter Dialog in der Martinikirche Siegen statt. Regionale wie überregionale Expertinnen und Experten diskutieren gemeinsam mit der interessierten Öffentlichkeit die Grundfragen von Straßennamen und Umbenennungen am regionalen Beispiel (u.a. Lothar Irle, Adolf Stöcker und Otto Krasa). Nähere Informationen zur Veranstaltung werden noch bekannt gegeben.
Die Ergebnisse des Dialogs sowie weitere Forschungen im Rahmen des Projektes „Mapping Memory“ fließen ein in eine interaktive digitale Landkarte zu regionalen Erinnerungsorten, die das Aktive Museum Ende 2022 veröffentlichen wird.
Wir laden hiermit alle interessierten Bürgerinnen und Bürger der Region, alle Institutionen und Vereine sowie die Politik ein, die Angebote zum Dialog zu nutzen.
„Gedenkorte des Ersten Weltkrieges in Belgien und Nordfrankreich – Ein Reisebericht“
Mit einem Beitrag zur Erinnerungskultur des Ersten Weltkriegs startet die Vortragsreihe „Siegener Forum“ in das Jahr 2015. Am kommenden Donnerstag wird Klaus Merklein, Vorstandsmitglied des Aktiven Museums Südwestfalen, in einem bebilderten Reisebericht verschiedene Gedenkorte des Ersten Weltkrieges in Belgien und Nordfrankreich vorstellen.
Die Reise beginnt in der Wallonie, führt über Ypern und Umgebung nach Péronne an der Somme, weiter nach Meaux an der Marne und endet in Verdun. Dabei werden unterschiedliche ausgewählte Gedenkorte des Krieges, die stark kontrastieren, gezeigt und mit Hintergrundinformationen unterlegt. Neben Soldatenfriedhöfen und staatlichen Gedenkstätten sind auch industriefinanzierte und private Museen einbezogen. Somit liegt der Fokus auf der Darstellung der gegenwärtig bestehenden Gedenkinfrastruktur.
Der Referent Klaus Merklein ist Autor der im letzten Jahr erschienenen Publikation „Denkmäler in Siegen – Eine Dokumentation zur politischen Erinnerungskultur im öffentlichen Raum“.Siegener Forum weiterlesen →