Hallo Herr Kunzmann, zum Nachtrag unmittelbar eine Bemerkung. Wir machen das alles ehrenamtlich, insofern ist mit zeitlichen Verzug immer zu rechnen. Ich habe das Email-Konto nicht auf meinem Smartphone. Das soll so bleiben. Mit besten Grüßen Bernd Plaum Reply
Warum scheint der Geschichtswerkstatt die Verbreitung dieses Elaborats nicht nur „notwendig“, sondern sogar „mehr als notwendig“ zu sein? Warum wird den Lesern der „Gegenrede“ die „Rede“ vorenthalten? Warum darf Herr Bode hier ehrenrührige Urteile („unbelehrbarer Ewiggestriger“, „verächtliche Kaltherzigkeit“, „egoistische Gedankenlosigkeit“) fällen, ohne dass den Lesern die Möglichkeit des Vergleichs beider Standpunkte gegeben wird? Ist es womöglich gar nicht Herr Ruth (der Hilchenbacher Kommunalpolitiker?), der jemandem einen „Bärendienst“ erwiesen hat, sondern Herr Bode – nämlich all denen, die sich um Sachlichkeit in der Geschichtsschreibung bemühen und dafür nicht immer wieder in die Schmuddelecke „linker Ideologen“ gerückt werden wollen? Fragen über Fragen … (Zu Wolfgang Ruth siehe auch: http://www.siwiarchiv.de/gedenken-an-die-ermordeten-hilchenbacher-juden) Reply
Der Leserbrief wie auch der Artikel, den die Reaktion hervorgerufen hatte, wären in der Tat hilfreich. Reply
Der Leserbrief führt durch die Überschrift in die Irre bei der Suche nach dem Artikel, auf den er sich bezieht. Unter dem Datum 16. bzw. 17.12.2021 findet sich zwar ein Zeitungsbeitrag zur Gedenkveranstaltung, in dem sich das Zitat jedoch nicht befindet. Es taucht hingegen versteckt in einem Artikel mit der Überschrift „Endloser Schrecken“ auf, der den 16.12.1944 u.a. zum Thema hat (Siegener Zeitung v. 17.12.2021). Hier der Leserbrief als pdf-Datei. Reply
Vielen Dank für das Posten des Leserbriefs! So kann eine differenziertere Auseinandersetzung beginnen. Reply
Ruths Leserbrief zeichnet sich durch historisches Halbwissen gepaart mit verabsolutierter persönlicher Betroffenheit und eigenwilliger Zitierweise aus. Hier der ganze Satz: „Wenige Wochen vor der Befreiung Siegens durch amerikanische Truppen am 12. März folgte schließlich der dritte und letzte schwere Luftangriff mit 69 Todesopfern.“ Befreiung ist dem Verf. in diesem Zusammenhang zu „devot“ und eine „Zumutung für die meisten betroffenen Menschen“. Die Toten würden das bestimmt anders sehen und ansonsten trifft das nur auf d i e Deutschen zu, deren „Durchhaltewillen“ trotz der offensichtlichen Niederlage ungebrochen war. Das mögen sicherlich nicht wenige gewesen sein. Auch sie galt es in ihren Köpfen zu „befreien“ von einer Diktatur mit menschenverachtender Ideologie, mit NS-Terror und mit Militarismus. Und Alle hat seitdem die „Befreiung“ noch immer nicht erreicht. Die periodisch auftretenden Reaktivierungen des NS seit Kriegsende sprechen jedenfalls nicht dafür und aktuell darin involvierte Personen erhalten durch den Leserbrief noch Rückenwind. Reply
Alles sehr richtig, aber es ändert nichts daran, dass Herr Ruth, Jg. 1937, ein authentischer Zeitzeuge ist und Herr Bode, Jg. 1952, keiner. Letzterer könnte versuchen (sofern er sich für ausreichend qualifiziert hält), der in weiteren Kontexten immer einseitig bleibenden „oral history“ wissenschaftlich fundierte Geschichtsdeutungen zur Seite zu stellen, um auf diese Weise ein abgerundetes Bild zu gewinnen. Seine Mission ist es hingegen nicht, reale Erfahrungswelten zu verdammen und irgendjemandem vorzuschreiben, was diese(r) zu fühlen habe, z.B. 1945 vom Nationalsozialismus befreit worden zu sein. Subjektives Gefühl und objektiver Akt von “Befreiung“ sind etwas gänzlich Verschiedenes. Und letzterer war nun einmal kein Anliegen der Alliierten, nicht im Westen und schon gar nicht im Osten. Sie, lieber Herr Plaum, haben aber mit „in ihren Köpfen zu befreien“ das meines Erachtens entscheidende Stichwort gegeben. Nur wie stellen Sie sich das konkret vor? Es gibt keine zivilisierten Erziehungsmaßnahmen (und Gehirnwäschen oder Lobotomien wollen wir sicher nicht befürworten), um Menschen von fixierten Bewusstseinsinhalten zu „befreien“. Manche waren einsichtsvoll genug, um sich selbst aus dem ideellen Sumpf zu ziehen, andere waren es nicht. Damals wie heute gab es Denker und Quer=Überhauptnicht-Denker. Und sich von etwas abzulenken, heißt nicht, davon befreit zu sein. Man konnte ab 1945 die noch sehr vitalen Relikte des Nationalsozialismus unter den Teppich kehren und vor der dort munter fortlebenden Subkultur die Augen verschließen; man konnte auch am deutschen Tellerrand umkehren und ignorieren, wie sich zahllose Alt-Nazis – oft mit tatkräftiger Unterstützung aus den Reihen der westlichen Alliierten – seit 1945 über den Rest der Welt ausbreiteten und in ihren neuen Heimaten rechtsextreme Netzwerke knüpften oder faschistoiden Diktatoren zur Hand gingen. Meines Erachtens geht es an der historischen Realität vorbei, „Befreiung der Welt vom Nationalsozialismus“ als etwas Gelungenes zu betrachten, das man mit einem Tag des gegenseitigen Schulterklopfens feiern müsste. — Die Frage, warum vernunftbegabte Primaten immer wieder offensichtlichen Soziopathen ihr Schicksal anvertrauen, lässt sich allein im Kontext von Politik-, Wirtschafts- oder Sozialgeschichte nicht beantworten. Ein Stichwort, um hier vielleicht weiterzukommen, gab neulich Thomas Wolf, als er in seiner Lothar-Irle-Biographie anmerkte: „Irles Weg in den Nationalsozialismus hat beinahe etwas Idealtypisches.“ Der „idealtypische Weg“ des Menschen, des „stinknormalen Lothar Mustermann“, ist der Weg des geringsten Widerstandes, der Faulheit des Denkens, der Trägheit des Herzens. Er führt unweigerlich früher oder später zu Manifestationen des Unmenschlichen, ob diese nun konkret als Rechtsextremismus, Linksextremismus, „Trumpismus“, großrussische Hybris oder wie auch immer in Erscheinung treten. Es gibt keine „Befreiung“ vom Banausentum. Aber warum funktioniert der Homo sapiens mehrheitlich so? — Kleine Anmerkung zum Stil: Es ist überflüssig, Kommentare (wie meinen „Nachtrag“vom 16.2.) mit ca. zweitägiger Verzögerung dann doch noch freizuschalten, wenn in der Zwischenzeit eine ganz neue Situation geschaffen wurde. Mit Ausnahme des mir wichtig erscheinenden Erhard-Zitats dürfen Sie den „Nachtrag“ also löschen. Bitte alles weitere zeitnah und im chronologischen Zusammenhang oder aber gar nicht anzeigen. Danke.
Nachtrag 16. Februar: Bundeskanzler Ludwig Erhard am 7. Mai 1965: „Wenn mit der Niederwerfung Hitler-Deutschlands Unrecht und Tyrannei aus der Welt getilgt worden wären, dann allerdings hätte die ganze Menschheit Grund genug, den 8. Mai als einen Gedenktag der Befreiung zu feiern. Wir alle wissen, wie weit die Wirklichkeit davon entfernt ist.“ — Leider nach wie vor sehr aktuell. So, das war’s von meiner Seite. Ich bin dann weg. Reply