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Siegener Forum

Matthias Kirchbach M.A. (Siegen): Migration ins Siegerland nach 1945 in Erinnerungskultur und kollektivem Gedächtnis

In der Vortragsreihe „Siegener Forum“ wird der Historiker Matthias Kirchbach M.A. von der Universität Siegen am Donnerstag, den 19. Mai 2022, Aspekte der Zuwanderung ins Siegerland nach 1945 nachzeichnen.

Das Siegerland war seit 1945 stark von Migration betroffen. Insbesondere „Flucht und Vertreibung“, die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte seit den 1950er Jahren und die Zuwanderung von Aussiedlern und Spätaussiedlern hinterließen Spuren im kollektiven Gedächtnis. In seinem Dissertationsprojekt untersucht der Referent derzeit die Bedeutung der Migration für die regionale Erinnerungskultur.

Matthias Kirchbach ist seit 2016 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte an der Universität Siegen (Prof. Dr. Bärbel Kuhn). Im Jahr 2016 erhielt er den Waxmann-Preis der Bildungsforschung, ein Jahr darauf den Studienpreis des Kreises Siegen-Wittgenstein für seine Staatsexamensarbeit „Regionale Erinnerungskultur als konjunktiver Erfahrungsraum? Eine empirische Untersuchung zu Siegerländer Erinnerungsorten“.

Der Vortrag findet statt am Donnerstag, den 19. Mai 2022, um 18.30 Uhr im Eintrachtsaal der Siegerlandhalle (Einlass ab 18.00 Uhr). Der Eintritt ist frei!

Gegenrede

Die Geschichtswerkstatt Siegen veröffentlicht hier einen bislang in der “Heimatzeitung” nicht abgedruckten Leserbrief, dessen Verbreitung uns aber mehr als notwendig scheint. Der Kontext geht aus der einleitenden Bemerkung hervor.

Die Siegener Zeitung veröffentlichte am 21.1.22 unter der Überschrift “Zu devot” einen höchst befremdlichen Leserbrief von Herrn Wolfgang Ruth aus Hilchenbach, in dem dieser sich dagegen verwahrt, im Zusammenhang mit dem 8. Mai 1945 von einer “Befreiung” zu sprechen, er persönlich empfinde das als Verhöhnung.

Ab 1933 wurden in Deutschland Millionen von Menschen drangsaliert, schikaniert, terrorisiert, verhaftet, verschleppt, gefoltert, erschlagen, grausam ermordet. Parteien und Gewerkschaften wurden verboten, das Recht wurde abgeschafft und durch die Willkür des Führers und seiner Helfershelfer ersetzt. Brutale Schläger und fürchterliche Juristen, dazu ein Heer willfähriger Beamter, setzten dieses menschenverachtende Terror-Regime durch. Schlimm genug, dass damals viele Deutsche sich nicht unterdrückt fühlten, solange ja ‘nur’ die Nachbarn abgeholt wurden, es deren Hab und Gut war, das frech gestohlen wurde. Schlimm erst recht – ein Schandfleck in seiner Geschichte! –, dass das deutsche Volk es nicht schaffte, sich selbst von dieser kriminellen Mörderbande zu befreien. Kaum begreiflich, aber wahr, dass, als die Alliierten diesem ekelerregenden Spuk nach millionenfachen Opfern ein Ende bereiteten, manche Deutsche sich noch immer nicht befreit fühlten – Altbundespräsident von Weizsäcker hat dazu in seiner großen Rede zum 8. Mai 1985 Wertvolles gesagt.

Dass er in den Nationalsozialismus hineingeboren wurde, kann man Herrn Ruth schwerlich vorwerfen. Dass er nicht befreit worden sein will, kann man – trotz seiner persönlichen Traumata – nur kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen. Dass er sich aber auch 77 Jahre danach noch nicht selbst davon befreit hat und vom eigenen Schicksal offenbar so viel mehr gerührt ist als von dem der Millionen und Abermillionen Toten, das ist unverzeihlich, zeigt es doch genau jene verächtliche Kaltherzigkeit und egoistische Gedankenlosigkeit, die den Faschismus erst möglich machte.

Man weiß daher nicht, was die Siegener Zeitung eigentlich dazu gebracht hat, diesen Brief eines unbelehrbaren Ewiggestrigen überhaupt abzudrucken und damit der Verbreitung für würdig zu erachten. Ist das etwa schon Teil der 180°-Wende in der Beurteilung des Nazi-Terrorregimes? Dem Rufe Siegens und unserer Demokratie haben Sie damit jedenfalls einen Bärendienst erwiesen.

Prof. Dr. Christoph Bode (geborener Siegener), Gundelsheim