Christian Brachthäuser
Vergangene Fürstenpracht – Die Geschichte des Herrengartens in Siegen
Das Strukturförderprojekt Herrengarten mit der Umgestaltung des geschichtsträchtigen Terrains zu einer öffentlichen Grünanlage am Siegufer haben den einstigen Lustgarten des Fürsten Johann Moritz zu Nassau-Siegen (1604-1679) wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Der Autor zeichnet in seinem Buch die historischen Hintergründe des ehemals von Johann Moritz geschaffenen Schlossgartens nach. Dessen Konzeption und Umsetzung fand nach seiner Rückkehr aus Brasilien statt. Darin drückt sich sein Wirken als Global Player ebenso aus wie seine Vorliebe für einen Stilmix aus Orangeriekultur, barockes Gartendesign und antiken Gestaltungselementen. Damit schuf er eine Miniaturausgabe der sagenhaften „Gärten der Hesperiden“ mit blühenden Zitrusgewächsen und antiken Stilelementen. Dabei ließ er sich auch von gartenarchitektonischen Eindrücken aus den Niederlanden inspirieren. „Im Zeitalter des aufkommenden Absolutismus sollte der Siegener Herrengarten zum Amüsement der Hofgesellschaft, aber auch zur Präsentation fürstlicher Herrschertugenden und künstlerischer Extravaganz dienen“, so Brachthäuser. Der am Flussufer der Sieg modellierte Garten war eine Symbiose von Machtdemonstration, Selbstinszenierung und landschaftsarchitektonischer Innovationskraft, der das Ansehen von Johann Moritz angesichts der Konkurrenz zur katholischen Verwandtschaft im Oberen Schloss heben und das Renommee Siegens als Residenzstadt nach den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs aufwerten sollte.
Doch es fließen noch weitere Faktoren in die Gestaltung des Herrengartens in Siegen ein: Beispielsweise die Gartentheorien der italienischen Spätrenaissance, die Johann Moritz als Statthalter des „Großen Kurfürsten“ Friedrich Wilhelm von Brandenburg auch in Kleve ästhetisch anspruchsvoll realisierte, oder die Anregungen, die er während eins Bildungsaufenthalt in Kassel von 1616 bis 1619 erhielt. Hier war der junge Siegener Graf am Hof seines Schwagers Landgraf Moritz, „der Gelehrte“, bereits in frühen Jahren mit einem blühenden Schlossgarten in Berührung gekommen, der sogar ein „Pomeranzenhaus“ zur Aufzucht der kälteempfindlichen Zitruspflanzen enthielt.
Tatsächlich beweist ein Inventar des Siegener Herrengartens aus dem Jahr 1817, dass ein Gewächshaus zur Kultivierung botanischer Raritäten und duftender Zitruspflanzen bereits 1669 im Herrengarten existierte. Von aufgestellten vergoldeten Statuen, etwa des Weingottes Bacchus, ist in zeitgenössischen Quellen sogar die Rede. Das gartenarchitektonische Engagement Johann Moritz´ ging so weit, dass er gar als Ratgeber für Wilhelm III. von Oranien in den Niederlanden fungierte. Durchaus denkbar, dass der Architekt des Siegener Fürsten, eben der bereits erwähnte Maurits Post, auch die Pläne für die Umgestaltung des pittoresken Gartens von Landsitz Soestdijk lieferte. „Zeitgenössische Darstellungen des Palastgartens von Soestdijk vermitteln vielleicht sogar ein Bild davon, wie auch der Herrengarten in Siegen ausgesehen haben könnte“, so Brachthäuser. Unter dem „Krönchen“ wurde 1703 unter Friedrich Wilhelm Adolf Fürst zu Nassau-Siegen (1680-1722) sogar eine zweite Orangerie errichtet, wie historische Dokumente belegen. „Noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts muss der Herrengarten ein barockes Kleinod gewesen sein. Ein kunstvoll gestalteter Hofgarten des Unteren Schlosses mit zwei Orangerien, symmetrisch angeordneten Pflanzbeeten, antiken Götterskulpturen und einem eleganten Teehäuschen. Durch eine Fichtenallee war der Herrengarten sogar mit dem Tiergarten am Wellersberg verbunden“, so der Autor. Doch der ehemalige Landschaftspark im Siegtal, der heute sicher zu den Sehenswürdigkeiten der Universitätsstadt Siegen zählen würde, hat die Zeit leider nicht überdauert.
Christian Brachthäuser hat sich auf eine spannende Spurensuche begeben, bislang unbekannte Details zusammengetragen und unveröffentlichte Schriftstücke ausgewertet, um an das Schicksal des Herrengartens zu erinnern. Nach Versteigerung des Interieurs einer Orangerie im Jahr 1783 verschwand der fürstliche Garten des Unteren Schlosses im Zuge der fortschreitenden Urbanisierung Siegens aus dem Stadtbild. Etliches wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts veräußert, anderes wiederum, wie der historische Lanzengitterzaun oder das steinerne Eingangsportal, vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs entfernt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden auf dem historischen Areal ein Knappschaftsgebäude und ein Ehrenmal für die Marine errichtet. 1965 folgte der Abriss des ehemaligen „Teehäuschens“ – die Bausubstanz aus vergangener Fürstenzeit wich damit gänzlich der „modernen“ Stadt und dem Infrastrukturausbau. An ihrer Stelle traten unter anderem ein Parkplatz, eine Tankstelle und jenes Geschäftszentrum, das nun wieder aus der Innenstadt verschwinden wird, um Siegens Weg „zu neuen Ufern“ gewissermaßen auf den Fundamenten eines barocken Musenorts, eines fürstlichen Gartenidylls, neu zu definieren.
„Vergangene Fürstenpracht“ (ISBN 978-3-96182-106-8) ist im Universi-Verlag Siegen erschienen und zum Preis von 21,00 Euro direkt beim Verlag oder im Buchhandel erhältlich.
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