„Die Granaten flogen höllisch.“
Rechtzeitig zum 150. Jahrestag der Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866 ist jetzt eine Publikation erschienen, die die Erlebnisse des Siegener Bürgers Dr. Louis Ernst während des Deutsch-Österreichischen Krieges zum Inhalt hat. Das Buch mit dem Titel „Der Deutsche Krieg von 1866. Die Feldpostbriefe des Soldaten Louis Ernst“ wurde mit Unterstützung der Geschichtswerkstatt Siegen e.V. erstellt.
Mai 1866: der 26jährige Ingenieur Louis Ernst wird Hals über Kopf in die preußische Armee einberufen. Ein überfüllter Truppentransport verfrachtet ihn nach Böhmen, wo nach einigen Tagen bangen Wartens der Krieg gegen Österreich beginnt. Endlose Märsche in der Sommerhitze, provisorische Unterkünfte in „total ausgefressenen“ Dörfern, schließlich die Schlacht bei Königgrätz. Etwa jeden zweiten Tag schreibt Louis Ernst seinen Eltern in Siegen, die angstvoll auf jedes Lebenszeichen warten, einen Brief, sogar noch aus der Schlacht bei Skalitz ein paar hastig hingekritzelte Zeilen: „Die Granaten flogen höllisch.“ Louis Ernst erlebt zunächst die Schrecken des Krieges, Tote, Verstümmelte – „entsetzlich! entsetzlich!“ – und dann, nach dem Sieg über Österreich, die Annehmlichkeiten als Besatzungssoldat: bessere Unterbringungen, Paraden, Ausflüge nach Prag, Brünn und Breslau. Nach 4 Monaten kommt Louis Ernst im September 1866 endlich wieder heil und gesund nach Siegen zurück. Die über 50 Briefe, von seinen Eltern sorgfältig verwahrt, lässt er zusammen mit Quittungen und anderen Dokumenten zu einem Buch binden, einer Art individueller Chronik des 1866er Krieges.
Fast 150 Jahre später findet der Siegener Antiquar Armin Nassauer, der in der Siegener Hinterstrasse sein Buchgeschäft hat, diese Kladde und überträgt den handschriftlichen Text in eine druckbare Form. Mit Unterstützung des Kreuztaler Historikers Olaf Wagener und des Siegener Stadtarchivars Ludwig Burwitz wird so aus Louis Ernsts Kriegsbriefen ein Buch, das nicht nur als sozial- und militärhistorische Quelle taugt, sondern jeden Leser sofort auf eine packende Zeitreise ins Jahr 1866 mitnimmt. Ludwig Burwitz hat dem Text eine Biographie Louis Ernsts vorangestellt, Olaf Wagener eine gründliche Übersicht über die viermonatige Kriegsreise angefertigt und den historischen Kontext verständlich erklärt. Die Druckkosten übernahm die Stadt Siegen, der Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein und das Antiquariat Nassauer. Das handschriftliche Original des Briefbandes wurde vom Kreisarchiv erworben und nach fachmännischer Restaurierung in die Archivbestände aufgenommen.
Louis Ernst, der Bürgersohn aus Siegen, reist eigentlich nicht wie ein Soldat, sondern wie ein Tourist. Viel ist vom Essen die Rede, zumeist freilich vom schlechten Essen. Amüsiert und etwas pikiert betrachtet der Städter Bildungsferne und Elend der böhmischen Landbevölkerung. Tag um Tag werden jedoch auch seine eigenen Ansprüche geringer und die Angst vor dem Tod wächst. Erst als der Frieden endlich greifbar wird (und damit auch die Einquartierungen angenehmer), kehrt Ernsts Humor zurück.
In späteren Jahren wird Dr. Louis Ernst zu einer geachteten Persönlichkeit in Siegen. Direktor der Wiesenbauschule, Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung, Reichs- und Landtagsabgeordneter. Noch heute ist die Straße nach ihm benannt, die am Häusling zur ehemaligen Wiesenbauschule führt. Und auch die frischen und unverstellten Briefe, die er 1866 nach Siegen schickte, werden künftig an ihn erinnern. Das schön gestaltete und fest gebundene Buch mit dem Titel „Der Deutsche Krieg von 1866. Die Feldpostbriefe des Soldaten Louis Ernst“ erschien als Band 14 der „Militärhistorischen Untersuchungen“ im Verlag Peter Lang und kostet 44,95 im Buchhandel.
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